(LAG München, Beschluss vom 10.08.2023 – 8 TaBVGa 6/23)
Im letzten Jahr sahen sich viele Betriebsräte damit konfrontiert, dass die Arbeitgeber/innen die im Rahmen der Corona-Pandemie eingeführten Regelungen zum mobilen Arbeiten einseitig wieder einschränken wollten. Im Regelfall gaben die Arbeitgeber/innen zwingende betriebliche Anwesenheitszeiten von 40-80 % der wöchentlichen Arbeitszeit vor. Für Betriebsräte stellt sich die Frage, inwiefern diese Anordnung mitbestimmungspflichtig ist.
Die Arbeitgeberin ist ein Versicherungsunternehmen. Zwischen den Betriebsparteien wurde bereits 2016 eine Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung geschlossen., Diese beinhaltet unter dem Punkt „Mobiles Arbeiten“, dass die Beschäftigten mit Zustimmung des Vorgesetzten ihre Tätigkeit mobil außerhalb der der betrieblichen Arbeitsstätte erbringen können. Der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit sollte jedoch am Arbeitsplatz im Betrieb geleistet werden. Im Rahmen der Corona-Pandemie empfahl die Arbeitgeberin ihren Mitarbeitern von zu Hause zu arbeiten. Bezüglich der vollständigen Tätigkeit aus dem Home-Office bestand völlige Freiwilligkeit. Nach dem Ende der Corona-Pandemie teilte die Arbeitgeberin mit, dass die bisherige Regelung auslaufe und ab dem 01.04.2023 jede/r Beschäftigte monatlich mindestens vier Tage im Büro arbeiten müsse. Mit einer Mail an den Betriebsrat teilte die Arbeitgeberin mit, dass sie das Arbeiten im Büro auf rein freiwilliger Basis zum 30.06.2023 beenden werde. Nachdem eine innerbetriebliche Einigung scheiterte beantragte der Betriebsrat eine einstweilige Verfügung. Der Betriebsrat war der Auffassung, die Maßnahme stelle eine Versetzung dar. Er machte zudem eine Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 6, 7, und 14 BetrVG geltend.
Das Arbeitsgericht München war der Auffassung, dem Betriebsrat stünden insoweit keine Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG zu. Bezüglich der Versetzungen hatte der Betriebsrat seinen ursprünglichen Antrag nicht weiterverfolgt. Insofern hat allerdings das LAG Berlin am 07.11.2023 entschieden, dass eine Änderung der Quote von mobilem Arbeiten keine Versetzung darstelle (Az. 19 TaBV 303/23, nicht rechtskräftig). Das Bundesarbeitsgericht hat am 29.09.2020 jedenfalls den vollständigen Entzug der Möglichkeit von mobilem Arbeiten als Versetzung qualifiziert (Az. 1 ABR 21/19, ebenso: LAG Düsseldorf vom 10.09.2014 – 12 Sa 505/14).
Das LAG München sah hingegen eine Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und untersagte der Arbeitgeberin die Maßnahme durchzuführen, solange keine Einigung mit dem Betriebsrat erzielt wurde oder die Einigungsstelle die Einigung durch Spruch ersetzt habe. Das Gericht stütze sich insofern auf § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG. Zwar unterliege der Mitbestimmung nicht das „Ob“ mobiler Arbeit, sondern nur das „Wie“. Das Gericht ist der Auffassung, dass zum „Ob“ auch noch die Bemessung des Kontingents mobiler Arbeit falle (dies ist umstritten). Die Entscheidung der Arbeitgeberin erschöpfe sich allerdings nicht in der Einschränkung des Zeitkontingents, sondern sie greife auch in die Regelungen der 2016 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung ein, wonach lediglich die Zustimmung des Vorgesetzten vorliegen müsse. Dem steht auch nicht die Erklärung in der BV entgegen, wonach der überwiegende Teil der Arbeit in der betrieblichen Arbeitsstätte erbracht werden „solle“. Dies ist keine verbindliche Anordnung – im Gegensatz zu der nunmehr einseitig getroffenen Anordnung vier Tage im Monat im Betrieb arbeiten zu müssen. Dies stelle einen Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung und gegen § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG dar.
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