Betriebsratsvorsitzender kann nicht Datenschutzbeauftragter sein

05. Oktober 2023
Tags:
  • Arbeitsrecht

(Pressemitteilung 27/23 zu BAG, Urteil vom 06.06.2023, 9 AZR 383/19)

Ausgangspunkt

Der betriebliche Datenschutzbeauftragte hat gem. Art. 39 DSGVO die Aufgabe, die Einhaltung der Datenschutzvorschriften im Unternehmen zu überwachen.

Für ihn gilt ein spezieller Schutz vor einer Kündigung seines daneben bestehenden Arbeitsverhältnisses und vor seiner Abberufung. Gem. § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 BDSG ist eine Abberufung eines internen betrieblichen Datenschutzbeauftragten nur in entsprechender Anwendung des § 626 BGB möglich, also nur dann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der ansonsten zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen würde.

Der Fall

Der Kläger war bei dem Arbeitgeber seit Mitte 2015 interner betrieblicher Datenschutzbeauftragter. Gleichzeitig war er Betriebsratsvorsitzender. Auf Veranlassung des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit wurde er 2017 mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Datenschutzbeauftragter abberufen, da dieses Amt mit dem Amt eines Betriebsratsvorsitzenden inkompatibel sei.

Dagegen klagte der Betriebsratsvorsitzende. Vor dem Arbeitsgericht Dresden (Urteil vom 03.04.2019, 3 Ca 1978/18) sowie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht (Urteil vom 19.08.2019, 9 Sa 621/19) gewann der Betriebsratsvorsitzende. Dagegen legte der Arbeitgeber beim Bundesarbeitsgericht Revision ein.

Das BAG entschied deshalb, dass die Abberufung des Betriebsratsvorsitzenden als Datenschutzbeauftragtem rechtmäßig war.

Das BAG ließ dagegen offen, ob „einfache“ Betriebsratsmitglieder ebenfalls nicht gleichzeitig Datenschutzbeauftragte sein dürfen.

Die Entscheidung

Das BAG ließ zunächst durch Vorlagebeschluss beim EuGH klären, ob die Regelungen zur Abberufung im BDSG europarechtskonform seien und wie sie zu interpretieren seien.

Der EuGH bejahte in seiner Entscheidung vom 09.02.2023 (C-453/21) die Europarechtskon-formität der Abberufungsregelungen im BDSG und entschied, dass ein wichtiger Grund im Sinne der Regelung bei Bestehen eines Interessenkonflikts vorliegen könne. Ein solcher Interessenkonflikt könne bestehen, wenn einem Datenschutzbeauftragten andere Aufgaben und Pflichten übertragen werden, die ihn dazu veranlassen würden, die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten bei dem Verantwortlichen oder seinem Auftraggeber festzulegen.

Auf dieser Grundlage entscheid das BAG, dass ein solcher Interessenkonflikt vorliege, wenn ein Datenschutzbeauftragter gleichzeitig Betriebsratsvorsitzender sei.

Der Betriebsrat entscheidet darüber, welche personenbezogenen Daten er für die Betriebsratsarbeit anfordert und wofür und auf welche Weise er diese anschließend verarbeitet. Er legt damit die Zwecke und Mittel der Verarbeitung selbst fest. Jedenfalls bei der hervorgehobenen Position des Betriebsratsvorsitzenden, der den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, besteht dann ein Interessenkonflikt, weil er die Rechtmäßigkeit dieser „eigenen“ Datenverarbeitung dann nicht mehr unabhängig kontrollieren kann.

Die Praxishinweise

  • Wer Betriebsratsvorsitzender ist, darf nicht gleichzeitig Datenschutzbeauftragter sein, sondern muss sich für eines dieser Ämter entscheiden.
  • Wer als normales Betriebsratsmitglied Datenschutzbeauftragter ist, muss abwarten, ob die Gerichte dies für zulässig halten oder nicht. Diese Frage ist bisher nicht geklärt.